DER BAB   

                                                                                                            

Preis sei Dir, o Herr, mein Meistgeliebter! Mache mich standhaft in Deiner Sache und gib, daß ich zu denen gerechnet werde, die weder Deinen Bund brechen noch den Götzen ihres eitlen Wahns folgen. (Der Bab)

Sayyid Ali Muhammad wurde am 20. Oktober 1819[3] in Schiraz, als Sohn eines stadtbekannten Händlers geboren.

Die Erläuterung über den Báb aus dem Buch "die Weltordnung Baha´u´llah" vom geliebten Shoghi Effendi

"Innig geliebte Freunde! Daß der Báb, der Begründer der Bábí-Sendung, voll berechtigt ist, die Stufe einer der sich selbst genügenden Manifestationen Gottes einzunehmen, daß Ihm höchste Macht und Autorität verliehen worden ist und Er alle Rechte und Vorrechte des unabhängigen Propheten ausübt, ist eine weitere grundlegende Wahrheit, die die Botschaft Bahá'u'lláhs eindringlich verkündet, und an der ihre Anhänger unnachgiebig festhalten müssen. Daß Er nicht lediglich als inspirierter Vorläufer der Bahá'í-Offenbarung anzusehen ist, daß in Seiner Person, wie Er selbst im Persischen Bayán bezeugt, die Absicht aller Ihm vorangegangenen Propheten erfüllt wurde, ist eine Wahrheit, die zu beweisen und zu betonen ich mich verpflichtet fühle. Wir würden sicherlich unsere Pflicht gegenüber dem von uns bekannten Glauben versäumen und einen seiner grundlegenden und heiligen Lehrsätze verletzen, wollten wir in unseren Worten oder Taten zögern, die Folgerungen aus diesem Grundsatz des Bahá'í-Glaubens zu erkennen, oder ablehnen, rückhaltlos dessen Unantastbarkeit zu wahren und seine Wahrheit zu bekunden. Tatsächlich ist der Hauptbeweggrund, der mich trieb, die Arbeit der Herausgabe und Übersetzung von Nabils unsterblichem Bericht auf mich zu nehmen, der gewesen, jedem Anhänger des Glaubens im Westen zu ermöglichen, die gewaltigen Folgerungen aus Seiner erhabenen Stufe besser zu verstehen, leichter zu erfassen und Ihn darum noch heißer zu bewundern und zu lieben.

182

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Anspruch auf die vom Allmächtigen für den Báb bestimmte doppelte Stufe - ein Anspruch, für den Er selber so mutig eingetreten ist, den Bahá'u'lláh wiederholt bekräftigt und zuletzt das Zeugnis von 'Abdu'l-Bahás Willen und Testament bestätigt hat - das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Bahá'í-Sendung darstellt. Er ist ein weiteres Zeichen ihrer Einzigartigkeit, eine gewaltige Erhöhung der Kraft, der geheimnisvollen Macht und Autorität, mit der dieser heilige Zyklus ausgestattet wurde. Tatsächlich besteht die Größe des Báb nicht zuerst darin, daß Er der gottberufene Vorläufer einer so erhabenen Offenbarung ist, sondern vielmehr darin, daß Er mit Kräften ausgerüstet war, wie sie dem Begründer einer eigenen religiösen Sendung innewohnen, und daß Er bis zu einem von keinem der vorangegangenen Sendboten erreichten Grade das Zepter unabhängiger Prophetenschaft geführt hat.

183

Die kurze Dauer Seiner Sendung, der enge Rahmen, in dem zu wirken Seinen Gesetzen und Verordnungen bestimmt war, bieten keinen Maßstab irgendwelcher Art, um ihren göttlichen Ursprung abzuschätzen und die Stärke ihrer Botschaft zu bewerten. »Daß eine so kurze Zeitspanne«, so erklärt Bahá'u'lláh selber, »diese machtvolle, wunderbare Offenbarung von Meiner Mir vorausgegangenen Manifestation getrennt hat, ist ein Geheimnis, das kein Mensch enträtseln, und ein Mysterium, das kein Geist ergründen kann. Ihre Zeitdauer war vorherbestimmt, und kein Mensch wird je den Grund dafür entdecken, es sei denn, daß er über den Inhalt Meines Verborgenen Buches unterrichtet werde.« »Sehet hin«, erklärt Bahá'u'lláh des weiteren im Kitáb-i-Badí, einem Seiner Werke, das die Schlußfolgerungen des Volkes des Bayán zurückweist, »sehet hin, wie unmittelbar nach Ablauf des neunten Jahres dieser wunderbaren, heiligsten und gnadenreichen Sendung die erforderliche Zahl der reinen, sich völlig hin gebenden und geheiligten Seelen ganz im Verborgenen vollendet wurde.«

Die wundersamen Begebenheiten, die das Kommen des Begründers der Bábi-Sendung ankündigten, die dramatischen Umstände Seines eigenen ereignisreichen Lebens, die übernatürliche Tragödie Seines Märtyrertums, der Zauber des Einflusses, den Er auf die hervorragendsten und mächtigsten Seiner Landsleute übte - alles in jedem Kapitel der ergreifenden Aufzeichnungen Nabils bezeugt dies -, sollte als ausreichender Beweis für die Gültigkeit Seines Anspruchs auf eine so erhabene Stufe unter den Propheten gelten.

Wie anschaulich aber auch immer der Bericht sein mag, den der hervorragende Verfasser der Geschichte Seines Lebens der Nachwelt überliefert hat, muß doch selbst eine so klare Schilderung matt erscheinen gegen die glühende Anerkennung, welche die Feder Bahá'u'lláhs dem Báb gezollt hat. Diese Anerkennung wurde vollauf vom Báb selber durch die klare Verfechtung Seines Anspruchs unterstützt, und die schriftlichen Bezeugungen 'Abdu'l-Bahás haben deren Eigenart nachdrücklich bekräftigt und ihre Bedeutung klargelegt.

184

Wo sonst als im Kitáb-i-Iqán könnten wir bei Beschäftigung mit der Bábi-Sendung nach jenen Bestätigungen forschen, die unverkennbar die Macht und den Geist bezeugen, welche kein Mensch zu offenbaren vermag, er sei denn selbst eine Manifestation Gottes? »Könnte so etwas zutage treten ohne die Kraft einer göttlichen Offenbarung und ohne das Walten von Gottes unbesiegbarem Willen? Bei der Gerechtigkeit Gottes! Würde jemand eine so große Offenbarung in seinem Herzen hegen, so würde allein der Gedanke daran ihn alsbald vernichten! Würden sich die Herzen aller Menschen in seinem Herzen vereinen, so würde er dennoch zögern, ein so erhabenes Unterfangen zu wagen.« »Kein Auge«, bestätigt Er an anderer Stelle, »hat jemals eine so große Ausgießung von Mildtätigkeit geschaut und nie ein Ohr eine solche Offenbarung der Güte vernommen ... Die Propheten, die 'mit Beständigkeit begabt' sind, deren Erhabenheit und Herrlichkeit klar wie die Sonne leuchten, wurden alle mit einem Buch ausgezeichnet, das alle gesehen haben und dessen Verse regelrecht festgesetzt sind. Die Verse aber, die aus dieser Wolke göttlicher Gnade geströmt sind, waren so überreichlich, daß noch niemand imstande war, ihre Zahl zu schätzen ... Wie könnte man diese Offenbarung schmälern? Ist je ein Zeitalter Zeuge derart bedeutsamer Ereignisse gewesen?«

Über den Charakter und den Einfluß jener Helden und Märtyrer, die der Geist des Báb so magisch verwandelt hat, offenbart Bahá'u'lláh die folgenden Worte: »Wenn diese Gefährten nicht die wahren Sucher nach Gott waren, wer sonst könnte mit diesem Namen benannt werden? ... Wenn diese Gefährten in all ihrer wundervollen Zeugenschaft, mit all ihren wunderbaren Werken falsch wären, wer wäre es dann wohl wert, die Wahrheit für sich zu beanspruchen? Hat die Welt seit Adams Tagen je solchen Aufruhr, solch heftige Erregung gesehen? ... Mich dünkt, Geduld ward nur durch ihre Seelenstärke offenbart und Glaubenstreue nur durch ihre Taten bezeugt.«

185

In dem Wunsche, die Erhabenheit der hohen Stufe des Báb im Vergleich zu jener der früheren Propheten zu betonen, erklärt Bahá'u'lláh in dieser selben Epistel: »Kein Verstand kann die Natur Seiner Offenbarung begreifen, noch kann irgendeine Erkenntnis das volle Maß Seines Glaubens fassen.« Dann führt Er zur Bekräftigung Seiner These diese prophetischen Worte an: »'Wissen ist siebenundzwanzig Buchstaben. Alle Propheten haben zwei Buchstaben davon offenbart. Kein Mensch hat bis heute mehr als diese zwei Buchstaben gekannt. Wenn aber der Qá'im sich erheben wird, dann wird Er die übrigen fünfundzwanzig Buchstaben offenbar machen.' Bedenke«, fügt Er hinzu, »wie groß und erhaben Seine Stufe ist. Sein Rang übertrifft den aller Propheten, und Seine Offenbarung geht über das Erkennen und Begreifen aller ihrer Auserwählten. Von Seiner Offenbarung«, so ergänzt Er weiter, »sind die Propheten Gottes, Seine Heiligen und Auserwählten entweder nicht unterrichtet worden, oder sie haben dies nach Gottes unerforschlichem Ratschluß nicht enthüllt.«

Von allen Huldigungen, die Bahá'u'lláhs unfehlbare Feder dem Báb, Seinem »Meistgeliebten«, zum Gedächtnis entgegenzubringen beliebte, ist die denkwürdigste und erschütterndste dieser kurze, doch beredte Abschnitt, der die letzten Absätze jener selben Epistel so außerordentlich bereichert: »Mitten in all dem«, schreibt Er mit Bezug auf die schmerzlichen Prüfungen und Gefahren, die ihn in der Stadt Bahgád bedrängten, »stehen Wir, dem Leben entsagend und Seinem Willen völlig ergeben. Möge durch Gottes Güte dieser offenbarte und kundgemachte Buchstabe (Bahá'u'lláh) Sein Leben als Opfer auf dem Pfade des Ersten Punktes, des erhabensten Wortes (des Báb), darbringen. Bei Ihm, auf dessen Geheiß der Geist gesprochen hat - wäre es nicht aus dieser Sehnsucht Unserer Seele, wir hätten keinen Augenblick länger in dieser Stadt verweilt.«

186

Geliebte Freunde! Ein so weithallendes Lob, eine so unanfechtbare Bekräftigung aus der Feder Bahá'u'lláhs in einem so gewichtigen Werke findet ein volles Echo in der Sprache, die der Urquell der Bábí-Offenbarung zum Ausdruck der von Ihm erhobenen Ansprüche gewählt hat. »Ich bin der mystische Tempel«, so gibt der Báb Seine Stufe im Qayyúmu'l Asmá' bekannt», den die Hand der Allmacht baute. Ich bin die Lampe, die Gottes Finger in ihrer Nische entzündet hat und mit unsterblichem Glanze leuchten ließ. Ich bin die Flamme jenes himmlischen Lichtes, das über dem Sinai an der Stätte der Freude aufgeleuchtet und im Brennenden Busch verborgen war.« »O Qurratu'l-'Ayn!«, so ruft Er in jener gleichen Auslegung sich selbst zu, »Ich erkenne in Dir keinen anderen als 'die Große Verkündigung' - die Verkündigung, welche die himmlischen Heerscharen verkünden. Ich bezeuge, daß Dich an diesem Namen jene, die den Thron des erhabenen Glanzes umkreisen, seit je erkannten.« »Mit jedem der Propheten, die Wir in vergangenen Zeiten herniedersandten«, sagt Er weiter, »haben Wir einen besonderen Bund geschlossen bezüglich der 'Erwähnung Gottes' und Seines Tages. Im Reiche des Glanzes und durch die Macht der Wahrheit kundgetan, steht die 'Erwähnung Gottes' und Sein Tag im Angesicht der Engel, die seinen Gnadenstuhl umgeben.« »Wenn Wir es wünschten«, versichert Er noch einmal, »so wäre Uns gegeben, durch die Wirkung auch nur eines Buchstabens Unserer Offenbarung die Welt und alles, was darinnen ist, zu zwingen, in weniger als einem Augenblick die Wahrheit Unserer Sache anzuerkennen.«

187

»Ich bin der Erste Punkt«, so wendet sich der Báb von der Festung Máh-Kú aus an Muhammad Sháh, »daraus alles Erschaffene gezeugt ward ... Ich bin das Antlitz Gottes, dessen Glanz sich nie verdunkeln läßt, das Leuchten von Gottes Licht, das nie verblassen kann ... Gott hat beliebt, Mir alle Schlüssel des Himmels in die rechte Hand zu legen und alle Schlüssel der Hölle in Meine Linke ... Ich bin ein Tragpfeiler des Ersten Wortes Gottes. Wer immer Mich anerkennt, hat alles erkannt, was wahr und recht ist, und hat alles erreicht, was gut und ziemlich ist ... Der Stoff daraus Gott Mich geschaffen hat, ist nicht der Staub, daraus andere wurden. Er gab Mir, was die Weltweisen nie erfassen noch die Getreuen je enthüllen können.« »Sollte«, so bekräftigt der Báb in dem Wunsche, die in Seiner Sendung verborgenen grenzenlosen Fähigkeiten zu betonen, »eine winzige Ameise an diesem Tag begehren, mit der Macht begabt zu sein, die schwierigsten und verwirrendsten Stellen des Qur'án zu enträtseln, so würde zweifellos ihr Wunsch erfüllt werden, da ja das Mysterium ewiger Macht im innersten Wesen aller erschaffenen Dinge schwingt.« »Wenn ein so hilfloses Geschöpf«, so lautet 'Abdu'l-Bahás Erklärung zu dieser überraschenden Versicherung, »mit einer so hohen Möglichkeit begabt werden kann, um wieviel wirksamer muß dann die Kraft sein, die durch die freigebigen Ausgießungen der Gnade Bahá'u'lláhs frei ward!«

Diesen gebieterischen Aussagen und feierlichen Erklärungen Bahá'u'lláhs und des Báb muß 'Abdu'l-Bahás eigenes unabänderliches Zeugnis beigefügt werden. Er, der berufene Erklärer der Worte Bahá'u'lláhs und des Báb, bekräftigt, nicht etwa nur mittelbar, sondern in klarer und entschiedener Sprache sowohl in seinen Schriften als auch in Seinem Testament die Wahrheit der Darlegungen, auf die ich mich bereits bezogen habe.

188

In einem Tablet an einen Bahá'í in Mázindarán, in dem Er den Sinn einer Ihm zugeschriebenen, falsch gedeuteten Erklärung über den Aufgang der Sonne der Wahrheit in diesem Jahrhundert klarlegt, entwickelt Er kurz und bündig, was für alle Zeiten unser wahrer Begriff für die Beziehungen zwischen den beiden mit der Bahá'í-Sendung verbundenen Manifestationen bleiben sollte. »Mit einer solchen Darlegung«, so erklärt Er, »hatte Ich niemand anderen als den Báb und Bahá'u'lláh gemeint. Meine Absicht war, die Wesensart ihrer Offenbarungen zu erläutern. Die Offenbarung des Báb mag mit der Sonne verglichen werden, deren Stand dem ersten Tierkreiszeichen entspricht, dem Zeichen des Widders, in welches die Sonne mit der Tag- und Nachtgleiche des Frühlings eintritt. Die Stufe der Offenbarung Bahá'u'lláhs dagegen wird durch das Zeichen des Löwen dargestellt, wenn die Sonne die Sommermitte und ihren höchsten Stand erreicht hat. Das bedeutet, daß diese heilige Offenbarung erleuchtet ist vom Lichte der Sonne der Wahrheit, die von ihrem erhabensten Punkte aus in der Fülle ihres Glanzes, ihrer Wärme und ihrer Herrlichkeit herabscheint.«

»Der Báb, der Erhabene«, bestätigt 'Abdu'l-Bahá ausführlicher in einem anderen Seiner Tablets, »ist der Morgen der Wahrheit, dessen Strahlenglanz durch alle Himmel leuchtet. Er ist ebenso der Vorbote des Größten Lichtes, des Tagesgestirns Abhá. Die Gesegnete Schönheit ist der Verheißene der heiligen Bücher der Vergangenheit, die Offenbarung des Lichtquells, der auf dem Berge Sinai schien, dessen Feuer im Brennenden Busche glühte. Wir sind, einer wie alle, Diener an ihrer Schwelle und stehen jeder als geringer Wächter an ihrer Türe.« »Jedweder Beweis und jede Prophezeiung«, so lautet Seine noch nachdrücklichere Ermahnung»,jede Art von Zeugnis, das sich auf die Vernunft oder die Texte der heiligen Schriften und Überlieferungen stützt, ist als in den Personen Bahá'u'lláhs und des Báb verankert anzusehen. In ihnen erfahren sie ihre vollkommene Erfüllung.«

189

Und schließlich setzt Er in Seinem Willen und Testament, das Seine letzten Wünsche und Abschiedslehren verwahrt, in folgendem, eigens die Leitgrundsätze des Bahá'í-Glaubens darzutun bestimmten Absatz das Siegel Seines Zeugnisses auf die zweifache und erhabene Stufe des Báb: »Die Glaubensgrundlage des Volkes Bahás - möge mein Leben ihm zum Opfer dienen - ist diese: Seine Heiligkeit der Erhabene (der Báb) ist die Manifestation der Einheit und Einzigkeit Gottes und der Vorläufer der Urewigen Schönheit (Bahá'u'lláh). Seine Heiligkeit die Schönheit Abhá (Bahá'u'lláh) - möge mein Leben als Opfer für Seine standhaften Freunde dargeboten sein - ist Gottes erhabenste Manifestation und der Tagesanbruch Seines göttlichsten Wesens.« »Alle anderen«, setzt Er bedeutungsvoll hinzu, »sind Seine Diener und folgen Seinem Gebot.«"

190 (Shoghi Effendi, Die Weltordnung Baha'u'llahs)

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

BAB: »DAS TOR«  (Aus dem Buch "Baha'u'llah und das Neue Zeitalter")


»Wahrlich, der Unterdrücker hat den Geliebten der Welten erschlagen, damit er dadurch das Licht Gottes auslösche unter Seinen Geschöpfen und die Menschen von dem Strom des himmlischen Lebens abhalte in den Tagen Seines Herrn, des Gnadenvollen, des Freigebigen.« (BAHÁ'U'LLÁH, Lawh-i-Ra'ís)

26 Geburtsort der neuen Offenbarung

Persien, das Geburtsland der Bahá'í-Offenbarung, nimmt einen einzigartigen Platz in der Weltgeschichte ein. In den Tagen einstiger Größe war dieses Land wahrhaft königlich unter den Nationen, unerreicht an Zivilisation, Macht und Glanz. Es schenkte der Welt große Könige und Staatsmänner, Propheten und Dichter, Philosophen und Künstler. Zarathustra, Kyros und Dareios, Háfiz und Firdawsí, Sa'dí und 'Umar Khayyám sind nur einige seiner vielen berühmten Söhne. Seine Handwerksleute waren unübertroffen an Geschicklichkeit; seine Teppiche waren unvergleichlich, seine Stahlklingen unerreicht, sein Steingut weltbekannt. In allen Teilen des nahen und mittleren Ostens hat Persien Spuren früherer Größe hinterlassen.

Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert aber sank Persien auf eine Stufe beklagenswerter Erniedrigung. Sein geistiger Ruhm schien unwiederbringlich verloren. Die Regierung war bestechlich und in verzweifelten Geldnöten, manche Herrscher waren Schwächlinge und andere Ungeheuer an Grausamkeit. Die Priester waren bigott und unduldsam, das Volk unwissend und abergläubisch. Der größte Teil der Bevölkerung gehörte dem shi'itischen Zweig¹ des Islám an, aber es gab auch eine beachtenswerte Anzahl von Zarathustriern, Juden und Christen, von Anhängern verschiedener und einander feindlicher Glaubensrichtungen. Alle bekannten sich dazu, erhabenen Lehrern nachzufolgen, die sie ermahnten, den einen Gott anzubeten und in Liebe und Eintracht zu leben; allein sie mieden, verabscheuten und verachteten einander, da jede Glaubensrichtung die anderen als unrein, als Hunde oder Heiden ansah. Das Fluchen und Verwünschen war in einem fürchterlichen Maße eingerissen. Es war für einen Juden oder einen Zarathustrier gefährlich, an einem regnerischen Tage auf die Straße zu gehen; denn wenn sein nasses Gewand einen Muhammadaner berührte, war dieser verunreinigt und der andere konnte mit seinem Leben für diese Beleidigung zu büßen haben. Wenn ein Muhammadaner von einem Juden, Zarathustrier oder Christen Geld annahm, mußte er es waschen, bevor er es einstecken durfte. Wenn ein Jude sein Kind einem armen muhammadanischen Bettler ein Glas Wasser reichen sah, so schlug er das Glas dem Kind aus der Hand, denn Flüche statt Freundlichkeit sollten den Ungläubigen zuteil werden. Die Muhammadaner selbst zerfielen in unzählige Sekten, deren Streit untereinander oft wild und erbittert war. Die Zarathustrier mischten sich nicht viel in diese gegenseitigen Beschuldigungen, lebten in ihren Gemeinschaften für sich und lehnten es ab, sich zu ihren Landsleuten andern Glaubens zu gesellen.

¹ Eine der beiden großen Parteien - Schiiten und Sunniten - in die der Islám schon bald nach dem Tode Muhammads zerfiel. Die Schiiten behaupten, daß 'Alí, der Schwiegersohn Muhammads der erste rechtmäßige Nachfolger des Propheten sei und daß nur seine Nachkommen die rechtmäßigen Kalifen seien.

Soziale wie religiöse Angelegenheiten befanden sich in einem Zustand hoffnungslosen Zerfalls. Die Erziehung wurde vernachlässigt. Abendländische Wissenschaft und Kunst wurden als unrein und der Religion widersprechend betrachtet. Gerechtigkeit war nirgends zu finden. Plünderung und Raub, waren alltägliche Ereignisse. Die Straßen waren schlecht und unsicher zu bereisen. Sanitäre Einrichtungen waren unglaublich mangelhaft.

Und doch war, trotz allem, das Licht des geistigen Lebens in Persien nicht erloschen. Da und dort, inmitten der herrschenden Weltlichkeit und des Aberglaubens, konnte man noch manche heilige Seele finden, und in manchem Herzen wurde die Sehnsucht nach Gott gepflegt wie einst in den Herzen von Hanna und Simeon vor dem Auftreten Jesu. Viele warteten sehnsüchtig auf das Kommen eines verheißenen Gottgesandten und glaubten bestimmt, daß die Zeit seiner Ankunft nahe bevorstehe. So standen die Dinge in Persien, als der Báb, der Herold eines neuen Zeitalters, das ganze Land mit Seiner Botschaft in Aufruhr versetzte.

28 Jugendzeit

Mírzá 'Alí Muhammad, der sich später den Titel Báb (d.h. das Tor) beilegte, wurde in Shíráz, im Süden Persiens, am 20. Oktober 1819 geboren¹. Er war ein Siyyid, d.h. ein Nachkomme des Offenbarers Muhammad. Sein Vater, ein bekannter Kaufmann, starb bald nach Seiner Geburt, worauf Er in die Obhut eines Onkels mütterlicherseits, eines Kaufmanns in Shíráz, kam, der Ihn aufzog. Er lernte in Seiner Kindheit lesen und erhielt die erste Erziehung, so wie sie damals für Kinder üblich war.²

Im Alter von fünfzehn Jahren wandte Er sich den Geschäften zu, zuerst mit Seinem Pflegevater und später mit einem andern Onkel, der in Búshihr am Persischen Golf lebte.

Als Jüngling war Er durch Seine erhabene persönliche Schönheit und durch Sein liebenswürdiges Wesen bekannt, wie auch durch Seine außergewöhnliche Frömmigkeit und die Vornehmheit Seines Charakters. Er war untadelig in der Einhaltung des Gebets, des Fastens und anderer Gebote der muhammadanischen Religion, und Er hielt sich nicht nur an den Buchstaben, sondern lebte auch im Geiste der Lehren des Offenbarers. Er heiratete im Alter von etwa zweiundzwanzig Jahren. Dieser Ehe entstammte ein Sohn, der aber im Kindesalter starb, und zwar im ersten Jahr des öffentlichen Wirkens des Báb.

¹ Erster Tag des Muharram des Jahres 1235 d.H. Der muhammadanische Kalender beginnt im Jahre der Hedschra, d.h. der Flucht Muhammads von Mekka nach Medina im Jahre 622 nach Christus.

² Hierüber bemerkt ein persischer Gelehrter: »Die Ansicht vieler Leute im Osten, besonders derjenigen, die an den Báb glaubten, ging dahin, daß der Báb keine Erziehung genoß, daß aber die Mullas, um ihn in den Augen des Volkes zu erniedrigen, erklärten, daß eine Erkenntnis und Weisheit, wie Er sie besaß, der Erziehung zuzuschreiben sei, die Er erhalten habe. Nach gründlichem Forschen nach der Wahrheit hierüber haben wir Beweise gefunden, welche zeigen, daß Er in Seiner Kindheit kurze Zeit in das Haus von Shaykh Muhammad (auch bekannt als 'Ábid) zu gehen pflegte, wo Er persisch lesen und schreiben gelehrt wurde. Darauf bezog sich der Báb in Seinem Buch Baján, als Er schrieb: 'O Muhammad, o Mein Lehrer!' Es ist aber doch außerordentlich bemerkenswert, daß dieser Shaykh, der Sein Lehrer war, ein ergebener Schüler seines eigenen Zöglings wurde, und daß auch der Onkel des Báb, namens Hájí Siyyid 'Alí, der wie ein Vater zu ihm war, ein ergebener Gläubiger wurde und als Bábí den Märtyrertod starb. Das Verständnis dieser Geheimnisse wird den Suchern nach Wahrheit gegeben; wir aber wissen, daß die Erziehung, wie sie der Báb erhielt, nur eine ganz einfache war, und daß alle Zeichen von ungewöhnlicher Größe und Erkenntnis Ihm angeboren und von Gott waren.«

29 Erklärung

Als der Báb das fünfundzwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, erklärte Er auf göttlichen Befehl, daß »Gott, der Erhabene, Ihn auserwählt habe für die Stufe des Vorläufers«. In 'A Traveller's Narrative' S.3 lesen wir folgendes:

»Was Er mit dem Ausdruck 'Báb' sagen wollte, war: daß Er der Weg der Gnade für eine große Persönlichkeit sei, die sich noch unter dem Schleier der Herrlichkeit verbürge, die im Besitz zahlloser und unbeschränkter Vollkommenheiten sei, von deren Willen Er getrieben werde, und an deren Band der Liebe Er sich klammere.«¹

In jenen Tagen war der Glaube an das bevorstehende Kommen eines Gottgesandten besonders stark bei einer Sekte, bekannt als Shaykhí, und es war ein hervorragender Geistlicher dieser Sekte namens Mullá Husayn Bushrú'í, dem der Báb als erstem Seine Sendung kundgab. Das genaue Datum dieser Verkündigung ist im Bayán, einer der Schriften des Báb, angegeben auf 2 Stunden 11 Minuten nach Sonnenuntergang am Vorabend des 5. Tages des Monats Jamádíyu'l-Avval, 1260 d.H. (23.Mai 1844). 'Abdu'l-Bahá wurde im Laufe der gleichen Nacht geboren, die genaue Stunde Seiner Geburt wurde jedoch nicht festgehalten.

Nach mehreren Tagen sorgfältigen Forschens und Studierens war Mullá Husayn fest davon überzeugt, daß der von den Schí'iten lange erwartete Bote tatsächlich gekommen sei. Seine hohe Begeisterung über diese Entdeckung wurde bald von verschiedenen seiner Freunde geteilt. Es dauerte nicht lange, bis die Mehrzahl der Shaykhí den Báb anerkannte und damit als Bábí bekannt wurde; und bald begann der Ruf des jungen Offenbarers, einem Lauffeuer gleich, sich über das Land auszubreiten.

¹ A Traveller's Narrative Written to illustrate the Episode of the Báb, mit einer Einleitung von E.G. Browne, Cambridge 1891. Auf dieses Buch wird im folgenden unter 'A Traveller's Narrative' Bezug genommen.

30 Ausbreitung des Bábí-Glaubens

Die ersten 18 Jünger des Báb (mit Ihm selbst als dem Neunzehnten) wurden bekannt als die »Buchstaben des Lebendigen«. Diese Jünger sandte Er nach verschiedenen Teilen von Persien und Turkestan, um die Nachricht Seines Kommens zu verbreiten. Er selbst unternahm mittlerweile eine Pilgerreise nach Mekka, wo Er im Dezember 1844 anlangte. Dort erklärte Er offen Seine Sendung. Bei Seiner Rückkehr nach Búshihr entstand eine große Aufregung ob der Verkündigung Seiner Vorläuferschaft. Das Feuer Seiner Beredsamkeit, das Wunder Seiner rasch verfaßten und inspirierten Schriften, Seine außerordentliche Weisheit und Erkenntnis, Sein Mut und Eifer als Umgestalter entfachten die größte Begeisterung bei Seinen Anhängern, entflammten aber in gleichem Maße einen Ansturm der Feindseligkeit bei den strenggläubigen Moslems. Die shí'itischen Gelehrten klagten Ihn heftig an und überredeten den Statthalter von Fárs, mit Namen Husain Khán, einen fanatischen und tyrannischen Herrscher, die neue Ketzerei zu unterdrücken. Nun begannen für den Báb in langer Reihe Einkerkerung, Deportation, Verhöre vor Gerichtshöfen, Plagen und Unwürdigkeiten, die erst mit Seinem Märtyrertod im Jahre 1850 endeten.

31 Die Ansprüche des Báb

Die Feindseligkeit, die sich beim Anspruch auf die Vorläuferschaft erhob, verdoppelte sich, als der junge Erneuerer erklärte, daß Er der Mihdí (Mahdi) selbst sei, dessen Kommen Muhammad vorhergesagt hatte. Die Shí'iten setzten diesen Mihdí dem zwölften Imám¹ gleich, der, ihrem Glauben entsprechend, vor tausend Jahren in geheimnisvoller Weise aus den Augen der Menschen verschwand. Sie glaubten, daß er noch am Leben sei und in seinem früheren Körper wieder erscheinen werde. Sie legten die Prophezeiung über seine Herrschaft, seine Herrlichkeit, seine Eroberungen und die »Zeichen« seines Kommens in einem äußerlichen Sinne aus, wie sich die Juden zur Zeit Christi ähnliche auf den Messias beziehende Prophezeiungen auslegten. Sie erwarteten, daß er erscheinen werde mit irdischer Herrschaft und einem zahllosen Heere und seine Offenbarung verkünden werde, daß er die toten Leiber zur Auferstehung rufen und sie zu neuem Leben erwecken werde und so fort. Da alle diese Zeichen nicht eintrafen, verwarfen die Shí'iten den Báb mit demselben grimmigen Spott, den die Juden Jesus widerfahren ließen. Die Bábí dagegen legten viele der Prophezeiungen bildlich aus. Sie sahen die Herrschaft des Verheißenen, gleich der des galiläischen »Mannes des Kummers«, für eine mystische Herrschaft an; Seine Herrlichkeit für eine geistige, nicht irdische, Seine Eroberungen für solche über die Städte der Herzen der Menschen; und sie fanden genügend Beweise für den Anspruch des Báb in Seinem wundervollen Leben und in Seinen Lehren, in Seinem unerschütterlichen Glauben, Seiner unüberwindlichen Standhaftigkeit und Seiner Macht, die zu neuem geistigen Leben zu rufen, welche in den Gräbern des Irrtums und der Unwissenheit befangen waren.

Aber der Báb blieb nicht bei dem Anspruch stehen, der Mihdí zu sein. Er legte sich den geheiligten Titel des »Nuqtiy-i-Úlá« oder des »Ersten Punktes« bei. Dies war ein Titel, der Muhammad von Seinen Nachfolgern beigelegt wurde. Sogar die Imáme waren in ihrer Bedeutung dem »Punkt« untergeordnet, von dem sie ihre Inspiration und ihre Autorität ableiteten. Durch die Annahme dieses Titels beanspruchte der Báb eine Stellung für Sich, wie die Muhammads in der Reihe der großen Religionsstifter, und deshalb war Er in den Augen der Shí'iten ein Betrüger, ebenso wie Moses und Jesus vor Ihm als Betrüger angesehen worden waren. Er führte sogar einen neuen Kalender ein, der das Sonnenjahr wiederherstellt und der das neue Zeitalter mit dem Jahr Seiner eigenen Erklärung beginnen läßt.

¹ Der Imám der Shí'iten ist der von Gott verordnete Nachfolger des Propheten, dem alle Gläubigen gehorchen müssen. Elf Personen nacheinander versahen das Amt des Imám; der erste war 'Alí, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten. Die Mehrheit der Shí'iten glaubt, daß der zwölfte Imám, Imám Mihdí genannt, im Jahr 329 d.H. als Kind verschwand und sich in der Erde verborgen halte, und daß er nach der erfüllten Zeit wieder hervortreten, die Ungläubigen stürzen und ein Zeitalter des Segens aufrichten werde.

32 Die Verfolgung wächst

Infolge dieser Erklärungen des Báb und der beunruhigenden Schnelligkeit, mit der Menschen aus allen Klassen, Reiche und Arme, Gelehrte und Unwissende, sich eifrig Seiner Lehre zuwandten, wurden die Bestrebungen, sie zu unterdrücken, immer grausamer und entschiedener. Häuser wurden geplündert und zerstört. Frauen wurden festgenommen und verschleppt. In Tihrán, Fárs, Mázindarán und anderen Plätzen wurde eine große Menge der Gläubigen getötet. Viele wurden enthauptet, gehängt, vor die Mündung der Geschütze gebunden, verbrannt oder zerstückelt. Trotz aller Unterdrückungsversuche ging die Bewegung ihren Weg. Gerade durch diese Unterdrückung wuchs vielmehr die Gewißheit bei den Gläubigen, denn dadurch erfüllten sich wörtlich viele der Prophezeiungen über das Kommen des Mihdí. So lesen wir in einer von Jábir stammenden Überlieferung, die von den Shí'iten für echt gehalten wird:

»In Ihm wird sein die Vollkommenheit von Moses, die Köstlichkeit von Jesus und die Geduld von Hiob; seine Heiligen werden zu seiner Zeit gedemütigt und ihre Häupter werden als Geschenke ausgetauscht werden, wie die Köpfe der Türken und der Deylamiten gegenwärtig als Geschenke ausgetauscht werden; sie werden erschlagen und verbrannt werden und werden in Furcht und Angst sein und beben vor Schreien; die Erde wird mit ihrem Blut getränkt werden und Wehgeschrei wird herrschen unter ihren Frauen; dies sind in der Tat meine Heiligen.«

(New History of the Báb, übersetzt von Prof. E.G. Browne, S.132)

33 Das Märtyrertum des Báb

Am 9. Juli 1850 (FR 28.Sha'bán 1266 d.H.), in Seinem einunddreißigsten Lebensjahre, fiel der Báb selbst der fanatischen Wut seiner Verfolger zum Opfer. Mit einem ergebenen jungen Anhänger namens Áqá Muhammad 'Alí, der leidenschaftlich darum gebeten hatte, Sein Märtyrertum teilen zu dürfen, wurde Er in Tabríz auf den alten Kasernenhof geführt. Etwa zwei Stunden vor Mittag wurden die beiden mit Stricken unter den Armen derart aufgehängt, daß das Haupt von Muhammad 'Alí an der Brust seines geliebten Meisters ruhte. Eine Abteilung armenischer Soldaten zog auf und erhielt den Befehl zu feuern. Alsbald krachte die Salve, aber als der Rauch sich verzog, fand man den Báb und Seinen Gefährten noch am Leben. Die Kugeln hatten nur die Seile zerrissen, an denen sie aufgehängt waren, so daß sie unverletzt zu Boden fielen. Der Báb begab sich in einen Raum in der Nähe, wo man Ihn im Gespräch mit einem Seiner Freunde fand. Um die Mittagszeit wurden sie abermals aufgehängt. Die Armenier, welche die Wirkung ihrer Salve als Wunder ansahen, weigerten sich, nochmals zu feuern, so daß ein anderes Regiment Soldaten antreten mußte, das dem Befehl zum Feuern Folge leistete. Diesmal hatte die Salve den gewünschten Erfolg. Die Körper der beiden Opfer wurden von Kugeln durchbohrt und schrecklich zugerichtet, ihre Gesichter aber blieben fast unberührt.

Durch diese ruchlose Tat wurde der Kasernenhof in Tabríz ein zweites Golgatha. Die Feinde des Báb erfreuten sich eines frevelhaften Triumphes und dachten, daß dieser verhaßte Baum des Bábí-Glaubens an der Wurzel getroffen sei und seine völlige Ausrottung nun leicht sein werde. Aber ihr Triumph war von kurzer Dauer. Sie dachten nicht daran, daß der Baum der Wahrheit von keiner irdischen Axt gefällt werden kann. Mußten sie doch erkennen, daß ihr großes Verbrechen nur dazu führte, der Sache noch größere Kraft zu verleihen. Der Märtyrertod des Báb erfüllte Seinen zärtlich gehegten Wunsch und entflammte Seine Anhänger zu wachsendem Eifer. So groß war das Feuer ihrer geistigen Verzückung, daß die schlimmen Stürme der Verfolgung es nur zu helleren Flammen anfachten. Je größer die Anstrengungen, es auszulöschen, desto höher schlugen die Flammen empor.

34 Das Grab am Berge Karmel

Nach dem Märtyrertod des Báb wurde Seine irdische Hülle mit der Seines ergebenen Gefährten zusammen an den Rand des Festungsgrabens außerhalb der Stadtmauer geworfen. In der übernächsten Nacht wurden sie von einigen Bábí um Mitternacht geborgen, und nachdem sie jahrelang an geheimen Orten in Persien verborgen gehalten worden waren, wurden sie schließlich unter großer Gefahr und Schwierigkeit in das Heilige Land verbracht. Hier ruhen sie nun in einem wundervoll gelegenen Grab am Abhang des Berges Karmel, nicht weit von der Höhle des Elias und nur wenige Meilen von der Stelle, wo Bahá'u'lláh Seine letzten Jahre zubrachte und wo Seine Gebeine nun ruhen. Unter den Tausenden von Pilgern, die aus allen Teilen der Welt kommen, um dem heiligen Grab von Bahá'u'lláh ihre Ehrerbietung zu bezeugen, versäumt es keiner, auch am Schrein Seines in Liebe ergebenen Vorläufers, des Báb, zu beten.

34 Die Schriften des Báb

Die Schriften des Báb sind umfangreich, und die Schnelligkeit, mit der Er, ohne Studium oder vorherige Überlegung, sorgfältig ausgearbeitete Kommentare, tiefgründige Abhandlungen und ausdrucksvolle Gebete verfaßte, wurde als einer der Beweise für Seine göttliche Inspiration betrachtet.

Der Inhalt Seiner verschiedenen Schriften ist wie folgt zusammengefaßt worden: »Einige von ihnen (des Bábs Schriften) waren Kommentare und Auslegungen von Versen des Qur'án; andere waren Gebete, Betrachtungen und Hinweise auf (die wahre Bedeutung gewisser) Stellen; wieder andere waren Aufrufe, Ermahnungen, Abhandlungen über die verschiedenen Zweige der Lehre von der göttlichen Einheit ... Ansporn zur Besserung des Charakters, zur Abkehr vom Weltläufigen und zur Hingabe an die Eingebungen Gottes. Aber das Wesen und der Sinn Seiner Werke waren Lobpreisungen und Beschreibungen jener Wirklichkeit, die bald erscheinen sollte, und der all Sein Sinnen und Trachten, Seine Liebe und Seine Sehnsucht gehörten. Denn Er betrachtete Sein eigenes Kommen als das eines Vorläufers froher Botschaften und hielt Seine eigene wirkliche Natur nur für ein Werkzeug der Manifestation von größeren Vollkommenheiten jenes Einen. Und in der Tat ließ Er nicht nur keinen Augenblick ab, Ihn Tag und Nacht zu verherrlichen, sondern pflegte allen Seinen Anhängern zu bedeuten, sie müßten auf Sein Kommen warten, ja Er ging darin so weit, daß Er in Seinen Schriften erklärte:

»Ich bin ein Buchstabe aus diesem höchst mächtigen Buche und ein Tautropfen aus diesem unermeßlichen Meere; wenn Er erscheinen wird, werden Meine wahre Natur, Meine Geheimnisse, Meine Rätsel und Meine Andeutungen offenbar werden, und der Keim dieser Religion wird sich entwickeln durch die Grade Seines Wesens und Aufstiegs hindurch zu der Stufe 'der schönsten Gestalt' und geschmückt werden mit dem Gewand von 'Gepriesen sei Gott, der Beste, der Schöpfer!' ... So begeistert war Er durch Sein Feuer, daß die Erwähnung von Ihm das helle Licht in den dunklen Nächten in der Festung Máh-Kú und das Gedenken an Ihn Sein bester Begleiter in der Not des Gefängnisses von Chihríq war. Er empfing dadurch geistiges Wachstum, an Seinem Wein berauschte Er sich, und im Gedenken an Ihn erfreute Er sich.«¹

¹ A Traveller's Narrative, p.54

35 Er, Den Gott offenbaren wird

Der Báb ist mit Johannes dem Täufer verglichen worden, aber die Stufe des Báb ist nicht nur die des Heroldes oder Vorläufers. Der Báb war eine Manifestation Gottes, der Begründer einer unabhängigen Religion, obgleich diese Religion zeitlich auf einen kurzen Abschnitt von Jahren beschränkt war. Die Bahá'í glauben, daß der Báb und Bahá'u'lláh gemeinsame Begründer ihres Glaubens waren, und die folgenden Worte von Bahá'u'lláh bezeugen diese Wahrheit:

»Daß eine so kurze Spanne Zeit diese höchst mächtige und wunderbare Offenbarung von Meiner eigenen vorbestimmten Manifestation getrennt hat, ist ein Geheimnis, das kein Mensch enträtseln, und ein Mysterium, wie es kein Geist ergründen kann. Ihre Dauer war vorbestimmt, und kein Mensch wird je ihren Grund entdecken, wenn nicht und ehe nicht er über den Inhalt Meines verborgenen Buches unterrichtet ist.«¹

In Seinen Hinweisen auf Bahá'u'lláh jedoch offenbarte der Báb äußerste Selbstlosigkeit, indem Er über den Tag »Dessen, Den Gott offenbaren soll«, erklärte:

»Wenn jemand auch nur einen einzigen Vers von Ihm hören und diesen nachsagen würde, so ist dies besser, als wenn er den Bayán tausendmal hersagen würde.«²

Er schätzte sich glücklich im Erdulden jeder Trübsal, wenn Er dabei auch nur in geringem Maß den Pfad ebnen durfte »für Den, Welchen Gott offenbaren wird«, welcher - wie Er erklärte - die einzige Quelle Seiner Eingebung wie das einzige Ziel Seiner Liebe sei.

¹ s.a. Hüter, WOB S.183

² Der Bayán ist das 'Mutterbuch' des Báb. Das Zitat ist aus 'A Traveller's Narrative' S.349 und findet sich auch beim Hüter, WOB S.152

36 Auferstehung, Paradies und Hölle

Ein wichtiger Teil der Lehre des Báb ist Seine Erklärung der Bedeutung der Worte »Auferstehung«, »Tag des Gerichts«, »Paradies und Hölle«. Unter Auferstehung ist, wie Er sagte, das Auftreten einer neuen Manifestation der Sonne der Wahrheit zu verstehen. Das Auferstehen vom Tod bedeutet die geistige Erweckung derer, die in den Gräbern der Unwissenheit, Achtlosigkeit und Sinnenlust schlafen. Der Tag des Gerichts ist der Tag der neuen Manifestation, durch deren Annahme oder Verwerfung die Schafe von den Böcken geschieden werden, denn die Schafe kennen die Stimme des göttlichen Hirten und folgen Ihm. Paradies ist die Freude, Gott zu erkennen und zu lieben, wie Er sich durch Seine Manifestation offenbart, und dabei die höchste Vollkommenheit, deren ein Mensch fähig ist, zu erlangen und nach dem Tod eintreten zu dürfen in das Königreich Gottes zu ewigem Leben. Hölle bedeutet, dieser Erkenntnis Gottes beraubt und dadurch abgehalten zu sein, göttliche Vollkommenheit zu erlangen; sie bedeutet auch den Verlust der ewigen Gnade. Er erklärte endgültig, daß diese Ausdrücke keinen anderen Sinn haben außer dem angegebenen, und daß die herrschenden Ansichten über die Auferstehung des materiellen Körpers, über einen materiellen Himmel und eine Hölle und dergleichen nur Hirngespinste seien. Er lehrte, daß den Menschen ein Leben nach dem Tod erwartet und daß in dem kommenden Leben der Fortschritt zur Vollkommenheit hin unendlich ist.

37 Soziale und ethische Lehren

In Seinen Schriften sagt der Báb zu Seinen Jüngern, daß sie sich auszeichnen sollten durch brüderliche Liebe und Höflichkeit. Nützliche Künste und Handwerke müßten gepflegt werden. Elementare Erziehung müsse allgemein werden. Durch die neue und wundervolle Sendung, die jetzt beginne, sollten die Frauen größere Freiheit genießen. Für die Armen sollte aus öffentlichen Mitteln gesorgt werden, das Betteln aber sei streng verboten, wie auch der Genuß berauschender Getränke.

Der Leitgedanke eines wahren Bábí muß reine Liebe sein, ohne Gedanken an Belohnung oder Furcht vor Bestrafung. So sagt Er im Bayán:

»Du sollst Gott so verehren, daß, wenn der Lohn für deine Anbetung das Feuer wäre, dies keinen Einfluß auf deine Anbetung haben würde. Wenn ihr Gott aus Furcht anbetet, so ist dies der Schwelle der Heiligkeit Gottes unwürdig ... Desgleichen auch, wenn euer Blick auf das Paradies gerichtet ist und wenn ihr in der Hoffnung darauf betet; denn dadurch stellt ihr Gott und Seine Schöpfung auf die gleiche Stufe.«¹

¹ E.G.Browne Bábís of Persia II. J.R.A.S. Bd. XXI, p.931 , s.a. BabSel +3:2 S.79 Pers.Bayan Váhid 7:19

38 Sein Leiden und Sein Triumph

Dieser letztere Ausspruch offenbart den Geist, der den Báb Sein ganzes Leben lang beseelte. Gott zu erkennen und zu lieben, Seine Merkmale widerzuspiegeln und den Weg für Seine kommende Manifestation vorzubereiten, das war das einzige Dichten und Trachten Seines Wesens. Für Ihn hatte das Leben keine Schrecken und der Tod keinen Stachel, denn die Liebe hatte die Furcht ausgelöscht, und sogar der Märtyrertod war nur ein Entzücken, Sich ganz zu Füßen Seines Geliebten werfen zu dürfen.

Seltsam, daß diese reine und herrliche Seele, dieser erleuchtete Lehrer göttlicher Wahrheit, der so ergeben Gott und Seine Jünger liebte, so gehaßt und von den Geistlichen Seiner Zeit dem Tod überliefert werden sollte. Sicherlich konnte nur gedankenloses oder beabsichtigtes Vorurteil der Tatsache gegenüber blind machen, daß es sich hier tatsächlich um einen Offenbarer handelte, der ein heiliger Gottgesandter war. Weltliche Größe und Herrlichkeit besaß Er nicht. Aber wie kann geistige Macht und Herrschaft bewiesen werden außer durch die Fähigkeit, aller irdischen Hilfe entraten zu können und über allen irdischen Widerstand zu triumphieren, sogar über den mächtigsten und den stärksten? Wie kann göttliche Liebe einer ungläubigen Welt vor Augen geführt werden außer durch ihre Fähigkeit, bis aufs äußerste den Stürmen des Unheils und den Pfeilen der Anfechtung, dem Haß der Feinde und der Verräterei falscher Freunde zu widerstehen, sich hoch über all dies zu erheben und unerschrocken und ohne Verbitterung noch zu vergeben und zu segnen?

Der Báb hat durchgehalten und der Báb hat triumphiert. Tausende haben die Aufrichtigkeit ihrer Liebe zu Ihm bezeugt durch das Opfer ihres Lebens und aller Habe in Seinem Dienste. Könige könnten wohl neidisch werden auf Seine Macht über die Herzen und das Leben der Menschen. Noch mehr: »Er, den Gott offenbaren wird«, ist erschienen, hat den Anspruch Seines Vorläufers bestätigt, dessen großmütige Ergebenheit angenommen und Ihn an Seiner Herrlichkeit teilnehmen lassen.
(Secundaer Literatur, Baha'u'llah und das Neue Zeitalter)

Nach oben